Ausstellungsansicht
Galerie Oehl-Früh
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Relief-Tryptichon
Mutter des Vaters (2024)
Vater von (2024)
Die Richtigkeit (2024)
Aluminium, Folierung, Lack, Holzrahmen
je 64 x 104 cm
Woanders (2024)
Nylon
85 x 130 cm
Mutter des Vaters (2024)
Aluminium, Folierung, Lack, Holzrahmen
64 x 104 cm
Detail: Mutter des Vaters (2024)
Aluminium, Folierung, Lack, Holzrahmen
64 x 104 cm
von l. nach r.:
Mutter des Vaters s6_23 (2024)
Vater von s6_4 (2024)
Die Richtigkeit s6_30 (2024)
Inkjet-Prints, je 106 x 173 cm
o.T. (2024)
Öl auf Leinwand
30 x 40 cm
o.T./Mutter (2024)
MDF
180 x 100 x 0,3 cm
Detail
Antiker Sessel, Kleiden, Ahnenpass, Kirschkuchen mit Sahne
Harry Potter Revolution (2024)
Öl auf Leinwand
18 x 24 cm
Bomb Inside (2024)
Öl auf Leinwand,
18 x 24 cm
01/X
01/X
→[2024]
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Jede Identität muss oder will bewiesen werden – vom Innersten nach Außen durch die Arten und Weisen, wie man sein Selbst ausdrückt und schmückt, und vom Äußersten nach Innen durch Dokumente innerhalb einer Bürokratie, die einen als etwas identifizieren und diesem den Status legitimer Existenz zuweisen. Beides beeinflusst einander, und auch die Emanzipation davon – die versuchte Überwindung des Einen zugunsten des Anderen, des Festen zugunsten des beweglichen – bleibt von der sie strukturierenden identitären Logik bestimmt. Diese Logik behauptet: Identitäten sind festgeschrieben, unumstößlich ist man, wer man ist, als
Jede Identität muss oder will bewiesen werden – vom Innersten nach Außen durch die Arten und Weisen, wie man sein Selbst ausdrückt und schmückt, und vom Äußersten nach Innen durch Dokumente innerhalb einer Bürokratie, die einen als etwas identifizieren und diesem den Status legitimer Existenz zuweisen. Beides beeinflusst einander, und auch die Emanzipation davon – die versuchte Überwindung des Einen zugunsten des Anderen, des Festen zugunsten des beweglichen – bleibt von der sie strukturierenden identitären Logik bestimmt. Diese Logik behauptet: Identitäten sind festgeschrieben, unumstößlich ist man, wer man ist, als Folge von Geburt, Herkunft, sozialem Umfeld, Geschlecht, Charakter, Konsumverhalten, Wohnsituation, Kreditwürdigkeit etc. Auch in der versuchten Überwindung bleibt man diesen Prinzipien unterworfen, man hat nur den Bezugspunkt anders gesetzt. Die Struktur, in der ein Selbst und dessen Umwelt gedacht wird, ist nach wie vor dieselbe: geprägt von Blut, Boden, und alles was darauf gestellt werden kann.
In Specters sind Arbeiten versammelt, die diese Dynamik thematisieren. Im Zentrum steht dabei ein alter Ahnenpass – ein historisches Dokument aus dem Nachlass meines Urgroßvaters, mit dem die sogenannte „arische Herkunft“ von Teilen seiner Familie ausführlich nachgewiesen werden sollte, und der für alle Bürger:innen des Deutschen Reiches zwischen 1933-45 verpflichtend war. Digitalisiert bildet dieser Pass die materielle Grundlage für die Serie schwarzer Reliefs, die Ausschnitte aus einer Composite-Fotografie aller Doppelseiten zeigen, und dem Tryptichon von großformatigen Prints, die beim Abfotografieren der Reflexionen auf der Oberfläche der Reliefs entstanden sind. In der fotografischen Vergrößerung werden einzelne Schriftfragmente sichtbar, in die sich durch die Kamera festgehalten gleichzeitig Schemen und Schatten von Figuren und Räumlichkeiten mit einschreiben. Die fast schon zum Ornament verfremdeten Einträge des Passes kehren auch in der Serie von Holzgittern wieder, dort aber als Negative, in denen die Schrift ausgespart wurde. Das Ornament im Bezug zum Selbst taucht auch in den Gemälden wieder auf – ein Rucksack mit Hogwarts-Logo ist da noch mit Schlüsselanhängern verziert, und die Ausschnitte aus Fotokacheln ergeben ein abstraktes und zerstückeltes Gesicht, dass eine Smartphone-Linse gegen die Betrachter*innen richtet. Der Ahnenpass selbst liegt als Teil einer Skulptur auf einem Sessel aus den 1920er Jahren, aufgeschlagen unter einem Teller mit Kirschkuchen, als hätte man beim Kaffeekränzchen heiter darin herumgeblättert und danach nicht aufräumen wollen.
Stuart Hall verstand Identität als einen Begriff „under erasure“ (in der Auslöschung begriffen). Identität würde eigentlich etwas bezeichnen, was einem fortlaufenden Identifikationsprozess näher käme: alle Identitäten müssten fortwährend aktualisiert werden, refreshed – wir müssen uns regelmäßig die ähnlichen Geschichten erzählen, uns im Spiegel angucken, im Sozialen verorten; wir müssen auch regelmäßig unsere Ausweise erneuern, von der Polizei kontrolliert und am Flughafen überprüft werden. Wir müssen uns beständig identifizieren und identifizieren lassen, und dennoch wird das, was zwischenzeitig als Produkt dieser Identifikationen gefasst werden kann als feststehend betrachtet. In diesem Sinne verstand Hall den Begriff der Identität als in der Auslöschung begriffen: wir benutzen ihn, obwohl er lange schon nicht mehr adäquat ist für das, was er bezeichnet. Er ist ein Schatten, ein Schemen, ein Geist, der die Gegenwart heimsucht.
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